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Mutismus Tagung 2019 - Vortrag 3

Medikamentöse Flankierung der Therapie als Option

Psychopharmakatherapie bei Selektivem Mutismus

Dr. med. Anne K. Läßig1, Maik Herrmann2
1 Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Universitätsmedizin Mainz
2 Sprachheilzentrum Meisenheim

Da die Diagnosen Selektiver Mutismus (F94.0) und Trennungsangst (F93.0) in die neue Auflage der Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), also in die Taxonomie psychischer Erkrankungen aufgenommen wurde und somit nicht nur Relevanz im Kindes- und Jugend- sondern auch Erwachsenenalter erhält, kann zur Behandlungsplanung nun die S3-Leitlinien von Angststörungen herangezogen werden. Danach sollen Psychotherapie und Pharmakotherapie gleichwertig angeboten werden, wobei das Entscheidungskriterium die Schwere der Erkrankung, die Präferenz des informierten Patienten bzw. dessen Sorgeberechtigten, Wirkeintritt, Nachhaltigkeit, unerwünschte Therapien und Verfügbarkeit herangezogen werden sollen.

Den höchsten Evidenzgrad haben Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und SNRI und bei generellen Angststörungen auch der Ca-Kanal-Modulator Pregabalin.

Vergleicht man Medikamentenplacebos mit der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), so zeigen sich moderate Effekte zugunsten der KVT (Cohen`s d = 0,57), aber auch für Sertralin (SSRI, d = 0,54) oder Venlafaxin (SNRI, d = 0,50) über alle Angststörungen hinweg betrachtet. Besonders starke Effekte zeigen sich bei der Betrachtung von Prä-post-Veränderungen für selektive Serotonin und Noradreanalin Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) (d = 2,25) im Vgl. zur Verhaltenstherapie (d = 1,30), ohne dass die Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie eine Überlegenheit zeigt.

Die Wirkung der Antidepressiva setzt erst zeitverzögert mit einer Latenz von 2 Wochen und z.B. verstärkter Nervosität, Unruhe und Angst ein, so dass ein langsames aufdosieren und niedrige Einstiegsdosis nötig ist. Die Länge der Pharmakotherapie spielt im Bezug auf die Rückfallrate eine Rolle und kann durch eine ausschleichende Erhaltungstherapie beeinflusst werden. Benzodiazepine werden trotz guter Wirkung aufgrund der gravierenden Nebenwirkungen kritisch diskutiert.

Im Vortrag wird auch der Einsatz von nicht zugelassenen Medikamenten diskutiert sowie praktische Erfahrungen aus dem therapeutischen Alltag berichtet.

Litaratur

Deutsche S3 Leitlinie: Behandlung von Angststörungen
Bandelow B et al. Efficacy of treatments for anxiety disorders: a meta-analysis. Int Clin Psychopharmacol 2015; 30; 183-92

DozentIn

Anna Lässig

Anna Läßig - Kurzvita
Funktionen: Leiterin des Schwerpunktes Kommunikationsstörungen
Qualifikationen: Fachärztin für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen, Landesärztin für sprach-, sprech, stimm- und hörbehinderte Menschen in Rheinland-Pfalz

2000-2006 Studium der Humanmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
02/07-06/09 Assistenzärztin an der Klinik für HNO, SRH-Klinikum Suhl
2008 Promotion
seit 07/09 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Schwerpunktes Kommunikationsstörungen der HNO-Klinik Mainz
seit 06/13 Fachärztin für Stimm-, Sprach- und kindliche Hörstörungen
Forschungsschwerpunkt: Funktionelle Schwerhörigkeiten im Kindesalter

Maik Hermann

Maik Herrmann Diplom-Pädagoge /akad. Sprachtherapeut im Sprachheilzentrum Meisenheim; stellvertretender therapeutischer Direktor

  • Studium an der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz
  • Therapeut in der Außengruppe des SHZ in der Klinik Viktoriastift in Bad Kreuznach (schwerpunktmäßig in der Behandlung von Jugendlichen mit Kommunikationsstörungen)
  • tiergestützte Therapie mit Therapiebegleithund seit 2004
  • Beratung, Supervision und Dozententätigkeit im Bereich "Selektiver Mutsimus" und „Stottern“
  • Diplomierter Legasthenietrainer (EÖDL) und Traumapädagoge


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